E. Schulze Jägle: "E⁠-⁠Learning und Betriebsrat - vertrauensvoll und konstruktiv zum Ziel"

04.05.2016
Carmen Dango

E⁠-⁠Learning und Betriebsrat? Oder E⁠-⁠Learning und Datenschutzbeauftragte? Das kann ein schwieriges Thema sein, wissen viele Personalentwickler aus ihrer Praxis. Auch Elisabeth Schulze Jägle hat diese Erfahrung zu Genüge gemacht - jetzt aber hilft sie Unternehmen dabei, E⁠-⁠Learning-Projekte erfolgreich aufs Gleis zu bringen. Ein Gespräch mit der Beraterin und Trainerin über die relevanten Knackpunkte, typische Lernzeiten und die Bedeutung von einem vertrauensvollen Miteinander auf Augenhöhe mit dem Betriebsrat und dem Datenschützer.

Frau Schulze Jägle, nach vielen Jahren auf der E⁠-⁠Learning-Anbieter- und danach ‑Anwenderseite sind Sie jetzt auf die Berater-Seite gewechselt. Können Sie kurz zusammenfassen, was Sie unter dem Namen "ESCHUJA" alles anbieten?

Nun, ausgehend von meinen Erfahrungen als E⁠-⁠Learning-Verantwortliche in einem großen, internationalen Energiekonzern mit einer ziemlich komplexen Organisationsstruktur habe ich mir überlegt, welche Unterstützung bei welchen Themen ich mir gewünscht hätte, damals aber nicht angeboten wurde. So habe ich mir die eine oder andere blutige Nase geholt. Das war besonders in den Themen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, Betriebsvereinbarungen, Datenschutz, Bildungscontrolling und die Etablierung von pragmatischen, praxistauglichen Corporate-Learning-Prozessen – Stakeholder Management inklusive.

Und so habe ich mich genau auf diese Knackpunkte spezialisiert und biete meine Unterstützung in den unterschiedlichsten Formaten an, so dass sich meine Klienten immer genau das Format raussuchen können, welches am besten zur Situation passt. Das fängt bei einstündigen Fachexperten-Coachings an, die relativ schnell vereinbart werden können und hört bei mehrtägigen Trainings auf. Mir ist wichtig, dafür zu sorgen, dass meine Klienten immer den roten Faden in der Hand behalten bzw. ihn wiederfinden, wenn sie ihn einmal verloren haben sollten.

Sie erwähnten ja, dass Sie bei einem internationalen Energiekonzern für E⁠-⁠Learning und Learning Management verantwortlich waren – und dort konnten Sie auch die Nutzungsstatistiken auswerten. Mit welchem Ergebnis?

Zuerst habe ich festgestellt, dass man eigentlich nur sehr wenig Reports für ein gutes und praxis-taugliches E⁠-⁠Learning-Bildungscontrolling benötigt. Zum einen sind ja personenbezogene Reports datenschutztechnisch sehr problematisch und können sowieso nur nach Genehmigung durch den Betriebsrat für eine ganz konkrete Weiterbildungsmaßnahme erhoben werden. Zum anderen sind gute Bildungsreports, vor allem wenn diese zum Vorstand gehen, sowieso mit sehr viel Handarbeit verbunden. Von daher da sollte man sich auf einige wenige Key Performance Indicators fokussieren. Was ich jedem nur empfehlen kann, ist, sich die anonymen Nutzungsstatistiken von E⁠-⁠Learning-Inhalten, die den Mitarbeitern zur freien Nutzung bereitgestellt werden, anzusehen. Da gibt es auch kein Problem mit dem Datenschutz und dem Betriebsrat.

Ich habe mir die Auswertungen über drei Jahre und drei Länder hinweg angesehen und die Ergebnisse waren äußerst interessant. Ein Beispiel: Die höchsten Zugriffszahlen gab es immer morgens, rund um die Mittagszeit und abends, also genau dann, wenn wir in unserem Arbeitsalltag eine Pause einlegen bzw. Zeit haben.

Und in diese Zeitfenster, die sich hier für den Wissenserwerb ergeben, sollten dann natürlich auch die Formate passen, mit denen die Lerninhalte angeboten werden. Das sind maximal 15 bis 30 Minuten pro Lernpause und ist ein weiteres Argument, warum kurze Lernformate, ob nun online oder offline, so gut von den Lernern angenommen werden – sie passen einfach perfekt in den Arbeitsalltag, und das gilt in sehr vielen Ländern und für sehr viele Zielgruppen.

Unter den vielen E⁠-⁠Learning-Formaten kamen Videos bei Ihnen und Ihren Kollegen besonders gut an. Weshalb?

Als ich 2010 in London auf der „Learning Technologies“ die ersten graphisch umgesetzten Erklärvideos sah, war ich sofort von diesem Format überzeugt. Bislang waren die meisten E⁠-⁠Learning-Formate sehr langatmig und ‑weilig. Zurück in Deutschland habe ich ein erstes Erklärvideo in Auftrag gegeben, mit einem unglaublichen Feedback seitens der Lerner: Das war das erste E⁠-⁠Learning-Format in meiner langjährigen E⁠-⁠Learning-Geschichte, das die Lerner wirklich begeisterte und wo verschiedene Fachbereiche auf mich zukamen und sagten „Das wollen wir auch!“ Vorher musste man die längeren Web Based Trainings immer wie Sauerbier anbieten.

Das Format kommt bei sehr vielen Zielgruppen und bei sehr vielen Nationalitäten sehr gut an – der Kosten-Nutzen-Effekt ist also enorm. Für mich der größte Pluspunkt ist, dass das Format unglaublich gut mit anderen Weiterbildungsformaten verbunden werden kann – die perfekte Blended-Learning-Zutat also. Der dritte Punkt ist, dass – endlich – wieder mehr Sorgfalt auf die Wichtigkeit von Bildern und Geschichten bei der Wissensvermittlung gelegt wird – und das sind seit der Steinzeit die besten Methoden für die Weitergabe von Wissen.

Um ein E⁠-⁠Learning-Projekt erfolgreich aufs Gleis zu bringen, gibt es wie angesprochen häufig Bedenken von den Datenschutz-Verantwortlichen. Wie kann man deren Bedenken zerstreuen?

Was vielen nicht bewusst ist: Im Datenschutzgesetz gibt es genaue Vorgaben, wie im Unternehmen mit personengezogenen Daten umgegangen werden muss. Es ist die Aufgabe des Datenschutz-Beauftragten, zu überprüfen, ob diese gesetzlichen Bestimmungen beim Umgang mit personenbezogenen Daten eingehalten werden.

Der Datenschützer hat also selbst keine Bedenken, sondern macht in seinen Stellungsnahmen darauf aufmerksam, wenn mit personenbezogenen Daten nicht gesetzeskonform umgegangen wird und was zu tun ist, um diese Gesetzeskonformität herzustellen. „Zerstreuen“ kann man also keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Als E⁠-⁠Learning-Verantwortlicher bzw. Personalentwickler sollte man wissen, was passieren kann, wenn man die datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht einhält und worauf man diesbezüglich bei der Dienstleister-Auswahl und der Auswahl und / oder Konfiguration der Learning-Management-Systeme achten muss.

Wenn man als Weiterbildungsverantwortlicher weiß, was im Datenschutzgesetz steht und was das konkret für Weiterbildungsangebote und die die IT-Infrastruktur in der Weiterbildung bedeutet, und diese von Anfang an sauber umsetzt, dann hat der Datenschützer auch keine Bedenken mehr bzw. die Abnahmen durch den Datenschutzbeauftragten verlaufen zügig und positiv! Aus diesem Grund kläre ich die Weiterbildungsverantwortlichen im Unternehmen über die datenschutzrechtlichen Vorgaben und die damit verbundenen Konsequenzen auf.

Eine besondere Herausforderung stellt außerdem oft der Betriebsrat dar. Weshalb hat der eigentlich stets Mitspracherecht, wenn es um Weiterbildungen geht?

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben. So hat der Betriebsrat generell bei der betrieblichen Weiterbildung – also auch bei Präsenztrainings – verschiedene Mitspracherechte, denn bei betrieblicher Weiterbildung spielt auch immer das Thema Leistungs- und Verhaltenskontrolle eine Rolle. Ein sehr starkes Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat auch, wenn in einem IT-System oder ‑Tool personenbezogene Daten in irgendeinem Format gespeichert und / oder genutzt werden.

Na, und wenn wir von IT-gestützter Weiterbildung sprechen, dann hat der Betriebsrat gleich ein doppelt abgesichertes Mitspracherecht durch den Gesetzgeber. So soll sichergestellt werden, dass die Interessen der Arbeitnehmer gewahrt werden. Auch in diesem Bereich kläre ich die Verantwortlichen über die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf und erläutere, was dies dann konkret für die Praxis bzw. für die Etablierung von E⁠-⁠Learning im Unternehmen bedeutet.

Und wie schafft man es, den Betriebsrat mit „ins Boot zu holen“, damit die E⁠-⁠Learning-Maßnahmen erfolgreich realisiert werden können?

Eigentlich ist das gar nicht so schwer, wenn man von Anfang an klar und strukturiert und mit einer konstruktiven Grundhaltung an die ganze Sache herangeht. Ich gebe ja auch speziell für Betriebsräte Einführungs-Seminare in den E⁠-⁠Learning-Kosmos. Ich habe bislang noch nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass die Betriebsräte „nicht wollen“. Sie möchten einfach erstmal einen guten, strukturierten Überblick bekommen und erfahren, worauf sie achten sollten, besonders wenn es um den Schutz von personenbezogenen Daten bzw. um die vielfältigen Möglichkeiten der Verhaltens- und Leistungskontrolle geht, und was alles in einer guten E⁠-⁠Learning-Betriebsvereinbarung wie geregelt werden sollte.

Wichtig ist vor allem, dass man den Betriebsrat bereits in der Planungsphase von E⁠-⁠Learning-Maßnahmen aktiv miteinbezieht. Diese Informationspflicht und Bringschuld seitens des Arbeitgebers sind ebenfalls im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben. Da man mit dem Betriebsrat kontinuierlich im Bereich E⁠-⁠Learning zusammenarbeiten wird, bringt also eine verzögerte, sehr sparsame Informationspolitik nichts – ganz im Gegenteil. Und da ohne die Genehmigung des Betriebsrates kein IT-System bzw. keine E⁠-⁠Learning-Maßnahme durchgeführt werden kann, kann ohne eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit E⁠-⁠Learning sowieso nicht nachhaltig im Unternehmen eingeführt werden.

Wie man hier am besten an die ganze Sache herangeht, welche Prozesse und Templates benötigt werden und was man wie in einer Betriebsvereinbarung regeln muss, erarbeite ich zusammen mit meinen Klienten. Als ausgebildete

lege ich hierbei großen Wert auf den nachhaltigen Aufbau einer vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenarbeit.

Ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, Sie wären die Chef-Personalentwicklerin in einem großen Unternehmen: Welche drei konkreten Aktionen würden Sie als erstes angehen, um für ein gutes Lern- und Arbeitsklima zu sorgen?

Erstens würde ich dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter in der Personalentwicklung sowie das Management die gesetzlichen Grundlagen im Datenschutz und im Mitbestimmungsrecht und die daraus resultierenden Konsequenzen kennen bzw. das Management und der Betriebsrat ein E⁠-⁠Learning-Grundwissen erhalten, so dass alle auf gleicher Augenhöhe diskutieren können.

Anschließend würde ich zusammen mit dem Management und dem Betriebsrat definieren, welchen Stellenwert die betriebliche Weiterbildung im Unternehmen hat und daraus abgeleitet die Faktoren, nach denen die Erfolge der betrieblichen Weiterbildung gemessen werden sollen. Es geht also um das Management von Erwartungen und die Definition von Erfolgskriterien. Damit wird auch festgelegt, wer was zu tun hat, denn eine erfolgreiche Weiterbildungsstrategie hängt nicht nur an der Personalentwicklung.

Und als Drittes würde ich mir die Unternehmensziele auf der einen Seite und die Mitarbeiterbedürfnisse auf der anderen Seite sowie die vorhandene IT-Infrastruktur bzw. den Digitalisierungsgrad genau ansehen, um festzustellen, welche Themen am wichtigsten und welche Formate zur Wissensvermittlung am besten geeignet sind.

Frau Schulze Jägle, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!


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