Ist betriebliche Weiterbildung Arbeitszeit oder Freizeit?

Verbindung von Arbeit und Freizeit
29.10.2020
Kerstin Boll
Selbstkompetenz
Inhalt

Betriebliche Weiterbildung verschafft Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, bindet qualifizierte Mitarbeiter:innen und ist eine wichtige Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Unternehmen und Mitarbeiter:innen wissen, dass kontinuierliches Lernen Arbeitsplätze und Einkommen sichert. All das trifft vor allem zu, wenn das Lernangebot inspirierend und jederzeit leicht zugänglich ist. Leider stellt sich da eine offensichtliche Frage, über die niemand gerne sprechen will: Ist Weiterbildung Arbeitszeit oder Privatsache? In diesem Artikel geben wir einige Denkanstöße.

Wann ist Weiterbildung Arbeitszeit?

Bis vor kurzem ließ sich die Frage nach der Fortbildung außerhalb der Arbeitszeit leicht beantworten: War die Fortbildung vom Arbeitgeber beauftragt, zählte sie zur Arbeitszeit. Fand sie auf Wunsch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin statt, zählte sie zur Freizeit. Das Arbeitsrecht hat dazu klare Aussagen getroffen.

In der Praxis gab es dennoch viele Auseinandersetzungen und Differenzen. Die große Zahl an Artikeln und Stellungnahmen im Netz deuten darauf hin.

Spannungsfeld Personalentwicklung

Aktuell sieht es so aus, als würde die Realität die Diskussion überholen – zumindest auf lange Sicht. Die Arbeitswelt hat sich verändert und mit ihr die betriebliche Weiterbildung. Diese steht heute in einem Spannungsfeld:

  • Von langer Hand geplantes Lernen auf Vorrat gerät immer mehr unter Rechtfertigungsdruck. Der Praxistransfer gelingt nur selten in einem befriedigendem Maß. Zudem verlangt der betriebliche Alltag nach mehr Flexibilität. „Learning on Demand“ rückt damit ins Blickfeld: Der Ansatz verspricht ein besseres Zusammenspiel von Weiterbildungsangebot und tatsächlichem Bedarf.

  • Das klassische Verständnis von Personalentwicklung kollidiert mit einem neuen Menschen- und Mitarbeiterbild, das gerade im agilen Kontext vorangetragen wird. Es verlangt nach selbstständiger, verantwortungsvoller und kreativer Leistung seitens des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin. Wie passt das mit einem Weiterbildungsangebot zusammen, dass kleinteilig vorschreibt, was der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin wann und wo zu lernen hat?

  • Betriebliche Fortbildung und Weiterbildung sind schon lange Pluspunkte im Kampf um die besten Köpfe. Der Trend bleibt erhalten: Mitarbeiter*innen wissen um die Notwendigkeit, sich zu qualifizieren und schätzen eine systematische Fortbildung. Viele Studien bestätigen, dass die Attraktivität eines Arbeitgebers mit seinem Angebot für die Weiterbildung steigt (Beispiel StepStone).

  • Aufgrund des Fachkräftemangels fällt es Arbeitgeber*innen zunehmend schwer, qualifizierte Mitarbeiter*innen zu akquirieren. Immer häufiger bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Mitarbeiter*innen selbst auszubilden. Doch damit entstehen neue Fragen: Wer steht für die Investition in die Mitarbeiter*innen gerade, wenn sie nach zu kurzer Zeit ihren Arbeitgeber verlassen?

Diese Entwicklungen vollziehen sich vor dem Hintergrund eines steigenden Effizienzdrucks: Unternehmen müssen zielorientiert und kostenbewusst handeln. Wie lassen sich die unterschiedlichen Bedingungen und Anforderungen vereinen?

"Sag mal ...": Fortbildung geschieht größtenteils nebenher

Schon seit einigen Jahren wandelt sich das Bild von betrieblicher Fortbildung und Weiterbildung. Weiterbildungsexpert:innen sind sich darin einig, dass sich Fortbildung überwiegend nebenher, oft unbewusst vollzieht, und zwar in Erfüllung anstehender Aufgaben. Sei es das Gespräch mit einem erfahrenen Kollegen oder einer Vorgesetzten oder die Recherche im Netz. Kaum jemand würde dem alltäglichen "Sich-Schlau-Machen" das Etikett "Weiterbildung" anheften. Tatsächlich jedoch entwickeln sich Mitarbeiter:innen genau auf die Art weiter. Weithin anerkannt ist die 70:20:10-Regel. Dieser Regel nach lernen Mitarbeiter:innen:

  • zu 70 % durch schwierige Aufgaben und berufliche Herausforderungen

  • zu 20 % durch das berufliche Umfeld und durch Vorgesetzte

  • zu 10 % durch traditionelle Weiterbildung wie Seminare, Bücher oder Trainings

Ob berufliche Weiterbildung während der Arbeitszeit oder in der Freizeit stattfindet, entzieht sich demnach der Diskussion: Sie findet während der Arbeit statt, selbstverständlich und organisch, auch im Rahmen des Social Learning.

Personalentwicklung im agilen Kontext: Wie lässt sie sich steuern

Wer die Personalentwicklung steuernd begleiten will, hat vor allen zwei Hebel in der Hand:

  • Qualifiziertes Material: Nicht alles, was sich Mitarbeiter:innen im Netz anlesen oder anhören, ist von gutem Niveau. Die Unternehmen können dem hochwertiges Lernmaterial entgegensetzen.

  • Führung: Auch die Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle. Es liegt an ihnen, anstehende Aufgaben so zu delegieren, dass Mitarbeiter:innen stets gefordert sind und eine Chance haben, zu wachsen. Sollten Mitarbeiter:innen wegen privat motivierter Weiterbildungsinteressen vereinbarte Leistungen schuldig bleiben, fällt dies hier auf.

Unternehmen wie etwa Bosch leben das Konzept der Agilität auch in der Personalentwicklung: Die Mitarbeiter:innen steuern ihre Weiterbildung innerhalb gesteckter Ziele selbst. Wo sich Unternehmen der Agilität verschrieben haben, ist dies nur konsequent – und laut Nele Graf sogar absolut notwendig.

"Der Personalentwickler wird beim agilen Lernen zum Broker. Er vermittelt passende Lernformate und bringt die Lernenden zusammen." (Prof. Dr. Nele Graf, Leiterin Competence Center for Innovation & Quality in Leadership & Learning an der Hochschule für angewandtes Management, Erding/Berlin)

Selbstgesteuerte Weiterbildung während der Arbeitszeit – riskant für Arbeitgeber?

Dennoch bleibt ein Anteil klassischer Ausbildung und Weiterbildung und mit ihm die Frage, wann sie stattfindet – in der Arbeitszeit oder danach.

Definitionsgemäß ist eine Fortbildung eine Qualifikation, die sich konkret an den Mitarbeiter:innen und den Aufgaben in ihrer Position orientiert. Eine Weiterbildung kann darüber hinausreichen. Nicht alles, was Mitarbeiter*innen interessiert, zahlt unmittelbar auf ihre Position ein.

Am besten fahren Unternehmen, wenn sie in den Arbeitsverträgen klare Regelungen dazu treffen. Sie dürfen auf die Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter:innen hoffen, wie verschiedene Befragungen und Studien belegen.

Ist die Diskussion um Rechte und Pflichten in der Weiterbildung noch aktuell?

Was passiert, wenn Mitarbeiter:innen selbstgesteuert und aus privatem Antrieb auf das betriebliche Weiterbildungsangebot zugreifen?

Kein Schaden für die Unternehmen - meint zum Beispiel Tino Roth von der EOS Serviceline GmbH zum Thema Weiterbildung zu Hause. Selbst wenn Mitarbeiter:innen privat motiviert ihre Englisch-Kenntnisse auffrischt oder sich mit Projektmanagement beschäftigen, erweitern sie ihre persönlichen Kompetenzen. Diese gehen nicht verloren, wenn sie von der Rolle des Privatmenschen in die des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin wechseln. Zudem haben sie in der Freizeit gelernt.

Weiterbildung als Plus im Kampf um gute Mitarbeiter:innen

Die demografische Entwicklung bleibt, und mit ihr das Problem des Fachkräftemangels. Insofern wird die Diskussion um Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen in der betrieblichen Weiterbildung voraussichtlich einen neuen Kurs einschlagen. Die Möglichkeit zur qualifizierten Weiterbildung und frei zu gestaltende Zeit machen Unternehmen attraktiv. Auf Dauer dürfte das zum entscheidenden Argument werden.

Betriebliche Weiterbildung mit E⁠-⁠Learning

Ob nun Weiterbildung Arbeitszeit oder Freizeit ist muss im Zweifelsfall konkret zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in geklärt werden. In jedem Fall ist Verständigung hier der richtige Weg, abhängig vom Thema, dem Wissensstand und der Relevanz für das Unternehmen.

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Quellen

http://schiering.org/arhilfen/arzeit/fortbildung-arbeitszeit.pdf

https://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/press/attraktiver-arbeitgeber/

https://www.personalwirtschaft.de/personalentwicklung/weiterbildung/artikel/agiles-lernen-wissen-prosumieren-statt-konsumieren.html

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