Im Gespräch mit Britta Kroker über E⁠-⁠Learning, Gamification und die Zukunft der Weiterbildung in Unternehmen

26.01.2018
Simon Hauzenberger
Inhalt

E⁠-⁠Learning ist Trend, die Erwartungen sind groß. Welches sind die Trends, die für Unternehmen tatsächlich von Bedeutung sind? Das PINK Social Media Team im Gespräch mit Britta Kroker, Geschäftsführerin und Gründerin der Pink University

Fast täglich wird ein neuer E Learning Trend ausgerufen. Welches sind deiner Meinung nach die Trends, die für Unternehmen tatsächlich von Bedeutung sind?

Britta Kroker: Es gibt einen Trend, der alles überlagert. Schritt für Schritt stellen alle Unternehmen die klassischen Weiterbildungskonzepte auf den Prüfstand. Sie experimentieren mit neuen Formaten und Methoden. Es scheint so, dass das seit vielen Jahren beschworene Blended Learning tatsächlich Realität wird. Statt von Fall zu Fall Präsenzseminare zu veranstalten oder E⁠-⁠Learnings auszurollen werden heute digitale Schulungsmedien, Präsenzveranstaltungen und das Workplace Learning aufeinander abgestimmt. Lernen verliert seinen Eventcharakter, den es hatte, als es ausschließlich um "Präsenz" ging. Lernen wird damit viel enger mit der Praxis verzahnt. Das hängt auch damit zusammen, dass im Bereich des E⁠-⁠Learnings heute ganz andere Dinge möglich sind, als noch vor wenigen Jahren.

Kannst du dafür ein Beispiel nennen?

Britta Kroker: Das beste Beispiel ist das klassische WBT, also das Web Based Training. Das war eine tolle Entwicklung. Sie machte es den Unternehmen erstens möglich, per E⁠-⁠Learning schnell Wissen zu verbreiten. Und zweitens konnten die Nutzung und die Lernergebnisse zentral verfolgt und ausgewertet werden. Besonders bei den sogenannten Mandatory-Themen konnten sich die Unternehmen so mit überschaubarem Aufwand auch Rechtssicherheit verschaffen. Sie konnten zum Beispiel dokumentieren, dass alle Mitarbeiter in Sachen Brandschutz unterwiesen worden sind.

Und worin unterscheidet sich das von den heutigen Möglichkeiten?

Britta Kroker: Die Limitierungen der klassischen WBTs lagen im nachhaltigen Lernen. Als Ergebnis des Lernens verstehen wir in der Regel, dass Verhalten verändert wird. Das war aber mit den WBTs kaum möglich. Dazu war das Format zu starr. Meist handelte es sich um Fotos mit Sprechblasen und abschließenden Multiple Choice Tests. Wenn aber Führungsverhalten vermittelt werden soll, wenn die Mitarbeiter ihre kommunikative Kompetenz entwickeln sollen und wollen, dann kommt man mit WBts nicht weit. Das ging bisher nur mit Präsenztrainings. Heute sieht die Sache anders aus. Mit videobasierten Schulungsmedien lassen sich Verhalten und Verhaltensalternativen am Modell erlernen. Durch Bewegtbild beziehungsweise Video werden die E⁠-⁠Learnings zudem emotionalisiert. Und wie wir heute wissen, spielen Emotionen auch beim Lernen eine große Rolle.

Kann aber Video wirklich das Lernen in Präsenzseminaren ersetzen?

Britta Kroker: Videolearning ist ja heute nichts brandneues mehr. Vor ungefähr zehn Jahren setzte ein regelrechter Boom ein. Wir waren mit der Pink University Vorreiter und noch vor den inzwischen großen amerikanischen Anbietern wie Coursera, Udacity und EdX auf dem Markt. Das Versprechen damals war, dass Präsenztrainings oder Präsenzlehrveranstaltungen von nun an der Vergangenheit angehören würden. Im Gegensatz zur Pink University, wo wir von Beginn an nach Drehbuch arbeiteten, ließen die meisten Anbieter die Trainer oder Universitätsprofessoren ihren „normalen“ Text einfach in die Kamera sprechen. Das führte schnell zu hohen Abbrecherquoten. Und zeigte auch, dass die Sache nicht so einfach ist. Wenn wir, und ich spreche jetzt aus Sicht der Pink University, wenn wir also heute sagen, dass wir Präsenztrainings ersetzen können, dann sagen wir das vor dem Hintergrund, dass wir völlig neue Formate entwickelt haben.

Was meinst du damit genau?

Britta Kroker: Wir haben gemerkt, dass wir nicht einfach Inhalte aus Präsenzveranstaltungen eins zu eins in ein anderes Format übertragen können. Ob ich einen Trainer oder Universitätsprofessor live erlebe oder ein Video vom „Live-Event“ sehe, macht offensichtlich einen gewaltigen Unterschied. Also haben wir vom Lernziel aus gedacht. Was wollen wir erreichen und wie können wir das mit digitalen Schulungsmedien, also mit E⁠-⁠Learnings erreichen. Unser Ziel ist die nachhaltige Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern in Unternehmen. Deshalb haben wir für unsere E⁠-⁠Learningkurse die Kompetenzmaps der Unternehmen analysiert. Heute produzieren wir entlang dieser Kompetenzmaps ganz klar umrissene E⁠-⁠Learnings mit ganz klaren Kompetenzzielen. Vor allem anderen, vor aller Technik und vor allen Features steht bei uns also immer die Didaktik - und dann nutzen wir das gesamte Arsenal der E⁠-⁠Learning-Technologien. Vom Erklärvideo über den Schulungsfilm bis zur interaktiven Übung. Damit erreichen wir viele Ziele, die bislang nur mit Präsenzseminaren erreicht werden konnten. Unserer Erfahrung nach verändert sich damit auch der Umgang mit der sogenannten „Präsenz“. Wir sehen eine Verschiebung dahingehend, dass Trainer kaum noch Frontaltrainings anbieten. Sie werden vielmehr zu Lernbegleitern und nutzen dazu selbst Onlinemedien wie Corporate Social Networks oder unternehmenseigene Lernplattformen.

Das heißt, die Grenzen verschwimmen ….

Britta Kroker: …. Ja, die Grenzen verschwimmen definitiv. Niemand hat mehr die Hoheit für Inhalte, kein Format ist automatisch gesetzt. Und damit komme ich auch zu einer weiteren, übergeordneten Entwicklung. Und die ist, dass immer mehr die Lernenden im Mittelpunkt stehen. Sie sind es, die entscheiden, wann und wo sie lernen – und warum sie lernen. Und die Unternehmen tun alles, um diese Prozesse zu ermöglichen. Es gibt in diesem Zusammenhang zwei Strömungen. Die eine setzt voll darauf, den Mitarbeitern alle erdenklichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die andere Strömung setzt eher darauf, strukturierte Prozesse anzubieten und die Mitarbeiter durch die Lernprozesse zu begleiten.

Gibt es seitens der Pink University eine Empfehlung für eine dieser Strömungen?

Britta Kroker: Klares Jein. Es ist wichtig und sinnvoll, den Mitarbeitern möglichst viele nützliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Natürlich in Abhängigkeit von den Bedarfen in ihren jeweiligen Jobs. Auf der anderen Seite wird die Arbeit Tag für Tag verdichteter. Wir arbeiten heute alle als unsere eigenen Sekretäre, sind Gestalter, Rechercheure, Controller, Postboten und und und. In diesen immer kürzer getakteten Intervallen schiebt man natürlich weg, was nicht unmittelbar die Arbeitslast mindert. Dabei vergisst man, „die Säge zu schärfen“. In solchen Kontexten ist es sinnvoll, Mitarbeitern strukturierte Lernprozesse anzubieten. Das erleichtert es den Mitarbeitern, das Lernen als Arbeit zu sehen, die in den Arbeitsalltag integriert werden kann und muss. Aber eben nicht in der Form solitärer Lernevents, wie das lange gemacht wurde. Heute geht es darum, Lernprozesse zu schaffen, die Wissensaufbau, Kompetenzentwicklung, Wissenstransfer und Workplacelearning verbinden. Es geht nicht darum, am Dienstag ein Rhetorikseminar zu machen, sondern zum Beispiel darum, in den ersten drei Monaten des Jahres gezielt die kommunikative Kompetenz zu entwickeln, indem man Wissen aufbaut, Wissen anwendet, sich im Alltag ausprobiert, Wissen wiederholt, sich mit dem Trainer oder anderen Mitstreitern austauscht, wieder lernt und so weiter. Insofern liefern wir den Unternehmen mit unseren E⁠-⁠Learnings standardisierte Bausteine für individuelle Lernprozesse.

Die derzeit oft diskutierten Themen wie Gamification oder adaptives lernen kamen bei dir bisher überhaupt nicht vor. Woran liegts?

Britta Kroker: (lacht) Das sind jetzt zwei Themen auf einmal! Eins nach dem anderen. Thema Gamification. Das würde ich nicht als Trend beschreiben. Gamification-Elemente zu nutzen, um die Lernenden bei der Stange zu halten, ist eher State of the Art als Trend. Wobei gutes UX-Design bei E Learnings schon die halbe Miete ist – das gilt natürlich auch für die jeweilige Lernplattform. Sobald ich den Lernfortschritt gut abbilde, betreibe ich Gamification. Wie weit man dann im Einzelnen geht, hängt vom Lernziel und vom Lernsetting ab. Wenn ich einen Ausbildungsgang digitalisiere für Berufseinsteiger, die im Klassenverbund lernen, sieht Gamification anders aus, als wenn ich ein Selbstlernmedium für Führungskräfte designe. Das andere Thema ist adaptives Lernen. Wenn man darunter versteht, dass den Lernern automatisch ihnen entsprechende Lerninhalte zugewiesen werden, dann erscheint mir das Thema derzeit überbewertet. Man braucht sehr viele standardisierte Lerneinheiten, wenn adaptives lernen automatisch funktionieren soll. Klar ist es sinnvoll, dass ich mein Level messe, bevor ich anfange, zu lernen. In diesem Bereich gibt es sinnvolle Tools. Aber wenn ich an Themen wie „Führung“ denke, dann wird es schon sehr schwierig. Da werden kuratierte und begleitete Lernprozesse zumindest auf mittlere Sicht produktiver und damit überlegen sein. Und dann kommt, zurecht, auch der Betriebsrat ins Spiel. Denn adaptives Lernen erfordert auch die umfassende Speicherung von Daten der Lernenden. Ein heikles Thema – und der gleiche Grund übrigens, warum die eigentlich fantastische Tin Can API immer noch ein Schattendasein fristet.

Letzte Frage: Wann hast du zuletzt ein E⁠-⁠Learning absolviert?

Britta Kroker: Gestern. Ich lerne Klavierspielen per E⁠-⁠Learning.

Das Interview führte das Social Media Team der Pink University.

Über Britta Kroker

Britta Kroker ist Gründerin und Geschäftsführerin der Pink University. Mit dem 2011 gegründeten Unternehmen verfolgt sie das Ziel, die digitalen Medien für effektives und nachhaltiges Lernen zu erschließen. Das Unternehmen ist heute über die Branche hinaus für seine Innovationskraft und Qualität bekannt.Pink University ist nach der Online-Fachbuchhandlung „Managemementbuch.de“ bereits die zweite erfolgreiche Gründung von Britta Kroker. Zuvor war die Unternehmerin zunächst Programm- dann Verlagsleiterin des Campus Verlags Frankfurt /New York, wo sie die Positionierung des Verlages als erste Adresse für Wirtschafts- und Businessliteratur verantwortete.   Berufsbegleitend erwarb die diplomierte Sozialwissenschaftlerin an der Steinbeis-Hochschule (SMI) Berlin, der SDA Bocconi School of Management in Mailand und der Stern School of Business in New York einen MBA in Mediamanagement.